Wenn ein Pferd majestätisch und taktrein ein Vorderbein nach dem anderen nach vorne streckt, fesselt es alle Blicke.
Doch diese Lektion ist weit mehr als nur ein beeindruckender Show-Effekt. Richtig erarbeitet, wird der Spanische Schritt unter dem Reiter zu einer der wertvollsten gymnastizierenden Übungen, die die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Pferd auf ein neues Niveau heben kann.
Viele Reiter träumen davon, diese Harmonie im Sattel zu erleben. Oft herrscht jedoch Unsicherheit, wie der Weg von der Bodenarbeit zur gerittenen Perfektion gelingt. Dieser Leitfaden zeigt Ihnen methodisch und pferdegerecht, wie Sie den Spanischen Schritt nicht nur als Showlektion, sondern als wertvolles Werkzeug für die Ausbildung Ihres Pferdes nutzen.
Der biomechanische Wert: Warum diese Lektion Ihr Pferd wirklich stärkt
Bevor wir in die Praxis einsteigen, ist es wichtig zu verstehen, warum der Spanische Schritt so wertvoll ist. Biomechanische Erkenntnisse und die moderne Trainingslehre bestätigen: Korrekt ausgeführt, geht diese Lektion weit über den reinen Show-Aspekt hinaus.
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Verbesserte Schulterfreiheit: Die Bewegung fördert gezielt die Mobilisierung des Schultergelenks. Das Pferd lernt, seine Vorhand freier und ausdrucksstärker zu bewegen, was sich positiv auf alle Gangarten und Lektionen auswirkt.
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Aktivierung der Rumpfmuskulatur: Um ein Bein anzuheben und zu strecken, muss das Pferd seine Bauch- und Brustmuskulatur aktiv anspannen. Dies stabilisiert den Rumpf und fördert eine korrekte Haltung von innen heraus.
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Förderung der Versammlung: Jeder einzelne Schritt erfordert eine kurze, aber deutliche Gewichtsverlagerung auf die Hinterhand. Das Pferd lernt, sich hinten zu setzen und vorne leicht zu werden – eine grundlegende Voraussetzung für höhere Versammlung.
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Gesteigerte Koordination und Balance: Die diagonale Verschiebung des Gleichgewichts schult die Körperwahrnehmung und die Balance des Pferdes in besonderem Maße.
Diese Lektion ist somit ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Elemente der Zirzensik zu einem ernsthaften gymnastizierenden Training werden, das das Pferd kräftigt und seine Bewegungsqualität nachhaltig verbessert.
Das Fundament: Voraussetzungen für Reiter und Pferd
Der Spanische Schritt unter dem Reiter ist eine Lektion für fortgeschrittene Paare. Ein überstürzter Beginn führt zu Frust, Taktfehlern oder sogar zu Abwehrreaktionen. Prüfen Sie ehrlich, ob Sie und Ihr Pferd die folgenden Voraussetzungen erfüllen.
Voraussetzungen für das Pferd:
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Sichere Bodenarbeit: Das Pferd muss den Spanischen Schritt an der Hand bereits sicher, ruhig und auf feinste Hilfen (z.B. Touchieren mit der Gerte) beherrschen. Es sollte den Takt halten können und nicht hektisch oder aufgeregt werden.
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Körperliche Reife und Gesundheit: Das Pferd sollte ausgewachsen und frei von orthopädischen Problemen sein. Insbesondere die Rücken- und Schultermuskulatur muss gut entwickelt sein.
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Mentale Gelassenheit: Das Pferd muss gelernt haben, unter dem Reiter ruhig zu stehen und geduldig auf neue Hilfen zu warten.
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Grundlegende Rittigkeit: Eine solide Basis in der Dressur, inklusive sicherer Anlehnung und der Fähigkeit, geradeaus im Takt zu schreiten, ist unerlässlich.
Grundsätzlich kann jedes Pferd mit den richtigen körperlichen und mentalen Voraussetzungen diese Lektion lernen, auch wenn Rassen wie PREs oder Lusitanos oft eine besondere Veranlagung dafür mitbringen.
Voraussetzungen für den Reiter:
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Stabiler, unabhängiger Sitz: Sie müssen Ihre Hände, Ihren Sitz und Ihre Beine völlig unabhängig voneinander einsetzen können. Jede unbewusste Bewegung oder ein klammerndes Bein stört das Pferd massiv.
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Geduld und Timing: Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, im exakt richtigen Moment zu loben und die Hilfe zu geben. Ungeduld ist der größte Feind dieser Lektion.
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Klares Konzept: Sie müssen den Ablauf und die Hilfengebung verinnerlicht haben, bevor Sie die erste Übung im Sattel starten.
Vom Boden in den Sattel: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung
Der Übergang in den Sattel sollte fließend und ohne Druck erfolgen. Der beste Weg ist, eine bekannte Hilfe vom Boden mit einer neuen Reiterhilfe zu verknüpfen.
Schritt 1: Der Helfer als Brücke
Bitten Sie für die ersten Versuche einen erfahrenen Helfer hinzu.
- Sie sitzen auf dem Pferd im Halten, die Zügel hängen leicht durch.
- Der Helfer steht vor dem Pferd und gibt die bekannte Hilfe für den Spanischen Schritt vom Boden aus (z.B. Antippen der Schulter).
- Im exakt selben Moment, in dem der Helfer die Hilfe gibt, geben Sie Ihre neue Reiterhilfe (siehe Schritt 2).
- Sobald das Pferd auch nur eine kleine, korrekte Reaktion zeigt (z.B. Anheben des Beins), wird es sofort von beiden ausgiebig gelobt.
Wiederholen Sie dies wenige Male für jede Seite und beenden Sie die Einheit mit einem positiven Gefühl.
Schritt 2: Die Reiterhilfen etablieren
Ihre Hilfen müssen für das Pferd klar und unmissverständlich sein.
- Sitz: Sitzen Sie zentriert und ruhig. Verlagern Sie Ihr Gewicht minimal auf die entgegengesetzte Seite, um das gewünschte Vorderbein zu entlasten.
- Bein: Das gleichseitige Reiterbein liegt eine Handbreit hinter dem Gurt und gibt einen leichten, rhythmischen Impuls. Es fragt an, es treibt nicht.
- Hand: Die gleichseitige Hand gibt einen minimalen Impuls am Zügel (Annehmen und sofortiges Nachgeben), um die Schulter „aufzuwecken“. Die äußere Hand hält nur eine sanfte Verbindung.
Ziel ist es, dass das Pferd Ihre Reiterhilfe mit der Aufforderung verknüpft. Allmählich wird die Hilfe des Helfers am Boden reduziert, bis das Pferd allein auf Ihre Reiterhilfen reagiert.
Schritt 3: Die ersten Schritte in der Bewegung
Sobald das Pferd im Stehen zuverlässig auf Ihre Hilfe ein Bein hebt, können Sie versuchen, dies aus dem Schritt heraus zu entwickeln.
- Reiten Sie in einem ruhigen, taktreinen Schritt.
- Geben Sie die Hilfe für einen einzigen Spanischen Tritt, genau in dem Moment, in dem das gewünschte Vorderbein ohnehin nach vorne fußen würde.
- Loben Sie ausgiebig und reiten Sie normal weiter.
- Fragen Sie zunächst nur einzelne, qualitativ hochwertige Tritte ab, anstatt einer langen Sequenz. Qualität vor Quantität ist hier das oberste Gebot.
Typische Fehler und wie Sie sie korrigieren
Jedes Pferd-Reiter-Paar steht vor Herausforderungen. Hier sind die häufigsten Probleme und praxiserprobte Lösungsansätze.
Problem: Das Pferd wird hektisch oder rennt los.
Mögliche Ursache: Reiterhilfe zu stark, zu viel Druck, fehlende Balance, Überforderung.
Lösungsansatz: Zurück zum Anfang. Üben Sie wieder im Halten. Achten Sie auf minimale Hilfen und loben Sie die kleinste ruhige Reaktion. Geben Sie dem Pferd Zeit, die Balance zu finden.
Problem: Der Takt geht verloren.
Mögliche Ursache: Das Pferd ist noch nicht stark genug, der Reiter stört mit dem Sitz.
Lösungsansatz: Beschränken Sie sich auf einen einzigen, perfekten Tritt und gehen Sie dann zurück in den normalen Schritt. Stärken Sie die Rumpfmuskulatur mit anderen Übungen (z.B. Stangenarbeit). Überprüfen Sie Ihren eigenen Sitz.
Problem: Das Pferd hebt das Bein kaum an.
Mögliche Ursache: Die Hilfe ist unklar, mangelnde Motivation oder fehlende Kraft.
Lösungsansatz: Gehen Sie zurück zur Bodenarbeit und frischen Sie die Lektion mit positiver Verstärkung auf. Überprüfen Sie, ob Ihre gerittene Hilfe wirklich präzise ist.
Problem: Das Pferd schlägt mit dem Kopf.
Mögliche Ursache: Reiterhand ist zu hart oder unruhig, Zügelhilfe ist zu dominant.
Lösungsansatz: Die Hilfe muss primär aus Sitz und Bein kommen. Die Hand gibt nur einen minimalen Impuls. Reiten Sie die Lektion testweise am hingegebenen Zügel.
Sicherheit und Motivation: Der Schlüssel zum Erfolg
Der Spanische Schritt ist anstrengend. Um die Motivation Ihres Pferdes hochzuhalten und die Lektion nachhaltig zu etablieren, sollten Sie folgende Prinzipien beherzigen:
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Kurze Einheiten: Trainieren Sie die Lektion nur für wenige Minuten pro Reiteinheit. Beenden Sie das Training immer mit einem Erfolgserlebnis.
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Timing ist alles: Loben Sie sofort und eindeutig. Ein kurzes Kraulen am Widerrist oder eine Futterbelohnung im richtigen Moment wirkt Wunder.
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Achten Sie auf Ermüdung: Wenn die Qualität der Tritte nachlässt, ist es Zeit für eine Pause oder das Ende der Übung. Training bis zur Erschöpfung führt zu Abwehr und verschlechtert die Technik.
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Integrieren Sie die Lektion spielerisch: Nutzen Sie den Spanischen Schritt als Highlight in Ihrem Training, zum Beispiel als Gruß am Anfang oder als belohnender Abschluss. In Disziplinen wie der Working Equitation bringt ein ausdrucksstarker Spanischer Schritt in der Rinderarbeit oder im Trail wertvolle Punkte.
FAQ – Häufig gestellte Fragen zum Spanischen Schritt
Ist der Spanische Schritt für jedes Pferd geeignet?
Grundsätzlich ja, sofern das Pferd gesund und körperlich dazu in der Lage ist. Pferde mit einer natürlich hohen Knieaktion und guter Schulterfreiheit tun sich oft leichter. Bei Pferden mit Vorschädigungen im Bewegungsapparat sollten Sie Rücksprache mit Ihrem Tierarzt oder Physiotherapeuten halten.
Wie lange dauert es, den Spanischen Schritt unter dem Reiter zu lernen?
Das ist höchst individuell und hängt von der Vorarbeit am Boden, dem Talent des Pferdes und dem Geschick des Reiters ab. Es kann von einigen Wochen bis zu mehreren Monaten dauern. Geduld ist wichtiger als ein Zeitplan.
Kann ich meinem Pferd diese Lektion selbst beibringen?
Wenn Sie über viel Erfahrung, einen unabhängigen Sitz und ein gutes Timing verfügen, ist es möglich. Für die meisten Reiter ist die Begleitung durch einen erfahrenen Trainer jedoch der sicherere und schnellere Weg zum Erfolg.
Der Weg zum gerittenen Spanischen Schritt ist eine Reise, die Geduld, Präzision und Einfühlungsvermögen erfordert. Doch die Belohnung ist ungleich größer als der Applaus des Publikums: ein durchgymnastiziertes, selbstbewusstes Pferd und eine Partnerschaft, die auf feinster Kommunikation und tiefem Vertrauen basiert.
Ein stabiler Sitz und ein Sattel, der dem Pferd volle Schulterfreiheit gewährt, sind bei Lektionen wie dem Spanischen Schritt entscheidend. Spezialisierte Konzepte, wie sie etwa Iberosattel für barocke Pferde entwickelt, können hier einen wertvollen Beitrag zur Gesunderhaltung und Leistungsfähigkeit leisten.




